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Stefan Heymann

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Die Hasselblad H1 – ein Erfahrungsbericht

English Version/Englische Fassung

Die Hassi-Foto GmbH hat es mir im April 2003 freundlicherweise ermöglicht, eine Hasselblad H1 ausgiebig zu testen. Ich habe sie dabei für die verschiedensten Motive und Filmarten (S/W und Farbdia) eingesetzt und ein wenig mit meiner eigenen Hasselblad 501CM verglichen. Die Erlebnisse, die ich mit diesem ungleichen Paar hatte, möchte ich hier schildern.

Das von mir getestete Set bestand aus:

Eine kleine Galerie mit Detailansichten von der H1 habe ich ebenfalls angefertigt.

Die H1

Die Hasselblad H1 ist eine moderne, vollelektronische, einäugige Spiegelreflexkamera mit Autofokus für das 6x4,5 cm Mittelformat. Hasselblad bricht damit im Mittelformat-Bereich erstmals mit dem Quadrat und bietet eine Kamera an, deren maximales Bildformat rechteckig ist. Die Kamera ist damit nicht gegen die klassischen 6x6-SLRs oder die neue Rolleiflex 6008AF positioniert, sondern gegen die modernen 645-Kameras von Contax, Mamiya und Pentax (der 645-Markt ist größer als der für 6x6 und 6x7 zusammen).

Nach dem Einschalten (und in den entsprechenden Automatik-Modi) verhält sich die H1 wie eine einfach zu bedienende vollautomatische SLR. Jeder, der mit solchen Kameras im Kleinbild-Bereich gearbeitet hat, kann die H1 sofort und intuitiv bedienen. Sie fasst sich an, wie eine etwas größere und schwerere Kleinbild-Kamera.

Zusammen mit dem Handbuch kommt ein "Quick Start Guide", mit dem man die Kamera in wenigen Minuten einsatzbereit vor sich stehen hat. Das Laden des Magazins gestaltet sich einfach, weil Hasselblad entsprechende Pfeile aufgedruckt hat, die anzeigen, wie herum der Film eingelegt werden muss. Bei den Geschwistern der V-Serie ist das Magazin-Laden ja noch eine kleine Wissenschaft für sich, und Hasselblad hat sich sicherlich Mühe gegeben, diesmal alles richtig zu machen. Das Objektiv wird genau gleich angesetzt wie bei den V-Kameras.

Was mir beim ersten Blick durch den Sucher aufgefallen ist, war die Helligkeit des Sucherbildes. Obwohl auf dem Spiegel ganz offensichtlich Sensoren für die Belichtungs- oder Entfernungsmessung aufgebracht sind, ist das Sucherbild der H1 sehr hell. Unter dem Sucherbild befinder sich ein Display, das alle wichtigen Informationen anzeigt, zusätzlich zu dem Display auf dem Kameragehäuse.

Die H1 ist von vornherein als Digital-Kamera konzipiert. Das sieht man daran, dass ein Bus durch das ganze System läuft, der ständig Informationen vom Objektiv, dem Prisma, dem Magazin und von einem speziellen Anschluss auf der linken Gehäuseseite erhält. Mit einem angeschlossenen Digital-Rückteil kann man sich sogar das Histogramm (Helligkeitsverteilung) der aktuellen Szene anzeigen lassen. (Bei mir ging das natürlich nicht, da mir nur das Film-Magazin zur Verfügung stand).

Wie bei jeder Kamera, muss man sich auch bei der H1 erst ein wenig an die Bedienung gewöhnen. Das geht aber sehr schnell, wenn man schon mal mit vollelektronischen Kameras gearbeitet hat (und wer hat das heute nicht?).

Die H1 liegt gut in der Hand, sowohl bei Quer- als auch bei Hochformataufnahmen (bei normaler Haltung erhält man querformatige Bilder). Sie steht auf ihren Gummifüßen sicher auf dem Tisch. Wenn man die Bodenplatte abzieht, kommt eine klassische Hasselblad-Schwalbenschwanz-Bodenplatte zum Vorschein, mit der man die H1 auf jedes Stativ und auch auf jede Hasselblad-Schnellkupplung ansetzen kann. Das dürfte eine der wenigen Kompatibilitäten mit dem V-System sein.

Das Objektiv hat ein Außenbajonett, an das die mitgelieferte Gegenlichtblende angesetzt werden kann. Die Geli kann zusätzlich noch verkehrt herum angesetzt werden und so ohne großen Platzverbrauch transportiert werden.

Autofokus

Die H1 hat einen Autofokus. Ich habe keinen Vergleich mit anderen Mittelformat-Autofokuskameras, aber der Autofokus ist für mein Gefühl (vor allem für eine MF-Kamera) sehr schnell und genau. Geniales Detail: Um von Autofokus- auf Manuell-Fokus-Betrieb umzustellen, muss kein Hebel umgelegt werden, sondern man dreht einfach am Fokussierring. Die Kamera merkt, dass der Ring manuell betätigt wurde und hört auf, selber zu fokussieren.

Möchte man wieder automatisch fokussieren, lässt man den Sucher kurz los und tippt ihn wieder an. Trotzdem kann der Autofokus über das Menü für entsprechende Anwendungen auch komplett abgeschaltet werden. Im Dunkeln schaltet die H1 eine Infrarotlampe zu, um das Fokussieren zu ermöglichen.

Arbeiten mit der H1

Für die Belichtungsmessung stehen drei Modi zur Verfügung: Spot, Center (mittenbetonte Messung) und Average (Durchschnittsmessung).

Für die Auswahl in den verschiedenen Menüs stehen zwei Drehrädchen bereit, mit denen man sich recht flott durch die Menüs navigiert. Für die wichtigsten Dinge, sind aber keine tief verschachtelten Menüs aufzurufen, sondern sie stehen über entsprechende Tasten direkt zur Verfügung. Ein schönes Detail, wie ich finde: Der Auslöseknopf kann als Bestätigungsknopf (sozusagen als "OK-Button") verwendet werden, was sehr intuitiv ist. (Aber auch gefährlich, wenn man nicht aufpasst, "schießt" man auch mal daneben ;-)

Nach einigen (einstellbaren) Sekunden der Nicht-Benutzung schaltet sich die H1 in einen Schlafmodus. Hier erscheint ein großes H1-Logo auf dem Display und man muss die Kamera über den Auslöser wieder erwecken.

Die H1 eignet sich als "Point&Shoot-Kamera auf Steroiden" hervorragend zum Fotografieren von Menschen. Gerade von meinen Kindern habe ich viele Fotos gemacht -- sonst ist das mit der manuellen Fokussierung der 501CM immer etwas schwierig... In Innenräumen kann der kleine eingebaute Blitz zugeschaltet werden. Fürs Studio steht eine klassische PC-Buchse zur Verfügung.

Über zwei Tasten an der Vorderseite (die ganz gut zu erreichen sind, auch wenn es auf den Fotos nicht so aussieht) kann der Spiegel vorausgelöst (M.UP) und die Blende auf Arbeitsblende geschlossen werden (STOP DOWN).

Leider hat die H1 keinen Anschluss für einen Drahtauslöser. Für Landschaftsaufnahmen wird man also einen speziellen Kabelauslöser brauchen.

Zeiss, Fuji und das Bokeh

Ein großer Wermutstropfen für die Hasselblad-Fangemeinde war der Abschied von den Zeiss-Optiken, die weltweit einen hervorragenden Ruf genießen. Es ist bekannt, dass die Objektive der H-Serie von Fuji stammen. Es gab schon einige Diskussionen, bei denen vor allem bezweifelt wurde, ob die (übrigens sehr scharfen) Fuji-Objektive auch ein schönes "Bokeh" haben.

Darunter wird die Art und Weise verstanden, wie ein Objektiv die Bereiche abbildet, die unscharf sind, also vor und hinter der Schärfeebene liegen. Die Zeiss-Objektive waren für ein "schönes" und "weiches" Bokeh bekannt. Tatsächlich hat gleich eine der ersten Testaufnahmen mit der H1, die im Test von Michael H. Reichmann gezeigte "Figure 3" traurige Bekanntheit erlangt: sie zeigt ein wahrhaft grauenhaftes Bokeh.

Nun, ich bin kein Objektiv-Test-Profi, ich habe einfach ein paar Aufnahmen derselben Szene mit unterschiedlichen Blendenöffnungen gemacht. Damit kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden (soweit das die gescannten und verlustbehaftet komprimierten Fotos hier überhaupt wiedergeben können).

Blühender Baum, Botanischer Garten der Universität Tübingen.
Hasselblad H1, Hasselblad HC 80 mm

Blühender Baum, Botanischer Garten der Universität Tübingen.
Hasselblad 501CM, Carl Zeiss Planar CB T* 2,8/80 mm

Asiatischer Kirschbaum, Botanischer Garten der Universität Tübingen.
Hasselblad H1, Hasselblad HC 80 mm

Im Studio

Im Studio, wo man ja aufgrund der Blitzanlage aus der Hand arbeiten kann, zeigen sich die Vorteile der H1. Mit Autofokus und motorischem Filmtransport ist man immer schussbereit und die technische Qualität der Aufnahmen unterscheidet sich nicht von der meiner 6x6. 

Zusammen mit einem befreundeten Amateurfotografen haben wir in einer Session die H1 und eine Mamiya 645 verwendet. Es ist uns nicht gelungen, auf den 24x30-Prints vom Hasselblad-HC-Objektiv und dem Mamiya Sekor-Objektiv signifikante Unterschiede zu finden.

Conny. Hasselblad H1, Hasselblad HC 80 mm

Beobachtungen

Ein paar Dinge, die mir an der H1 - positiv und negativ - aufgefallen sind, habe ich mir notiert. Die Aufstellung ist unsortiert und ohne Gewichtung:

Das Magazin hat ein eigenes Display, das die Filmempfindlichkeit, Filmlänge und den Bildstand anzeigt. Dieses Display lässt sich - über einen Knopf am Magazin oder über die Hintergrundbeleuchtungs-Taste am Gehäuse - beleuchten. Wenn das Magazin an der Kamera angesetzt ist, ist es allerdings mühsam abzulesen, da es vom Prisma verdeckt wird. Alle wichtigen Angaben befinden sich allerdings auch im Display des Gehäuses.

Die maximal einstellbare Belichtungszeit beträgt 18 Stunden und 12 Minuten (dem EDV-Profi fällt auf, dass das ziemlich genau 2^16 Sekunden sind ... :-)

Die Kamera hat einen B- und einen T-Modus. Beim Drehen am Belichtungszeiten-Rad kommen diese Einstellungen irgendwo zwischen 1/2 und 1 Sekunde.

Man kann eine manuelle Scharfstellung machen, ohne dass man den Autofokus dazu explizit ausschalten muss. Einfach den gummierten Entfernungseinstellring am Objektiv drehen. Der Autofokus schaltet sich dann auch ab (so lange bis der Auslöser wieder ganz losgelassen wird). Der Ring ist recht breit und lässt sich satt drehen.

Ein Magazin, dessen Schieber (warum auch immer) geöffnet ist, lässt sich nicht ansetzen. Das geht bei der 501CM auch nicht, aber wo ist der Sinn???

Aber: ein Magazin mit offenem Schieber lässt sich abnehmen (ob das auch geht wenn ein Film geladen ist habe ich nicht getestet) ...

HINWEIS: Dies ist ein offensichtlicher Fehler, der von Hasselblad kostenlos repariert wird

Um die H1 an ein Stativ anzusetzen (entweder über eines der beiden Gewinde oder über eine normale Hasselblad-Schnellkupplung) muss die Bodenplatte abgenommen werden. Dann hat die H1 allerdings auch keine Gummifüße mehr, mit denen man sie weich auf einem Tisch abstellen könnte. Sie liegt dann direkt mit der Stativkupplungsplatte auf dem Tisch auf. Das ist bei den V-Modellen besser gelöst (Gummifüße sind fest am Gehäuse).

Beim Halten der H1 in der normalen Fotografierstellung (Querformat) kommt der linke Daumen (also mindestens meiner, ich habe relativ kleine Hände) auf dem Bajonett-Entriegelungsknopf zu liegen. Auch wenn nichts passiert ist, so habe ich doch immer Angst gehabt, den Knopf versehentlich auszulösen. Er sollte (bei der H2?) wieder dorthin, wo er auch bei den V-Modellen ist.

Bei dem (80er) Objektiv ist eine Gegenlichtblende und eine Ledertasche dabei. Die Geli lässt sich auch platzsparend verkehrt herum auf das Objektiv aufsetzen.

Der Objektiv-Deckel ist einer Hasselblad nicht würdig. Er ist zwar stabil, aber doch irgendwie klapprig und ich hatte immer etwas Mühe mit dem Aufsetzen und abnehmen.

Die H1 ist mit ihrem Prisma und dem fest angesetzten Handgriff recht sperrig in der Fototasche. Ich hatte auch Mühe, sie in meinem Fotorucksack (ein Lowepro MiniTrekker) unterzubringen. Meine Fototasche, in die die 501CM problemlos hineinpasst, ist für die H1 zu klein. Man sollte sich beim Kauf einer H1 also auch auf den Kauf einer neuen Fototasche einstellen ...

Die H1 hat keinen Anschluss für einen klassischen Drahtauslöser. So schwierig kann das doch nicht sein ...

Mehrfachbelichtungen sind problemlos möglich. Sobald die H1 im "Mirror up" (Spiegelvorauslösung) Modus ist, lässt sie sich beliebig oft auslösen (und dann auch sehr leise). Es ist also nicht nötig, wie bei den V-Modellen, das Magazin abzunehmen. Dadurch können exakte Mehrfachbelichtungen ohne Verrutschen des Films gemacht werden.

In der Menüführung kann der Auslöser als "OK"-Button verwendet werden. Das finde ich sehr intuitiv.

Das 80er-Objektiv hat für Filter kein Bajonett sondern ein normales E 67 Einschraubgewinde. Da sind die Filter nicht so teuer ...

Ich habe Tests mit einem Linear-Polfilter (Heliopan) gemacht. Trotz automatischer Belichtungsmessung und Autofokus gab's da keine Probleme.

Das Laden des Magazins ist im Vergleich zum Laden eines A12-Magazins (V-Serie) viel einfacher. Leider habe ich dann beim nächsten Film, den ich in mein A12 einlegen wollte vergessen, diesen unter dem berühmten silbrigen Halter durchzuziehen. Das Schutzpapier ist beim Einziehen abgerissen und der Film ist, nun wie soll ich sagen, -- hinüber :-(

Beim Arbeiten im Studio hängt das Blitzkabel an der linken Gehäuseseite irgendwie störend herunter. Für die PC-Buchse sollte man evtl. noch einen anderen Platz suchen. Eine Klemmung wie bei den modernen CFE/CB-Objektiven hat die PC-Buchse übrigens nicht.

Ich hatte keine Probleme damit, eine Ilford-Spule als Aufwickelspule zu verwenden ...

Die Firmware ist mir in dieser einen Woche zwei- bis dreimal abgestürzt. Der "Reset" erfolgt dann durch Abnehmen des Batterieteils. Einmal musste ich das wirklich für einige Sekunden abnehmen, damit die H1 wieder zu Sinnen kam. (Der bereits erwähnte EDV-Profi vermutet noch einige Bugs in der Firmware ...)

Ein Versehentliches Auslösen wenn der Magazinschieber geschlossen ist, ist auch bei der H1 nicht möglich. Allerdings blockiert nicht der Auslöser, sondern es erscheint eine Meldung im Display: "The Darkslide is closed".

Dass die H1 keine 6x6 ist, hat mich eigentlich nie gestört (ich bin allerdings auch kein Vollformat-Printer). 

Fazit

Die H1 ist irgendwie keine richtige Hasselblad. 

ABER:

Die H1 ist eine richtig gute, stabile, geile Kamera. Es macht Spaß, sie in die Hand zu nehmen und damit zu arbeiten. Sie hat einen schnellen Autofokus, bedient sich gut, liegt gut in der Hand und macht gute Fotos. Es ist einfach eine völlig neue Generation von Kamera bei Hasselblad. Ich kann mir gut vorstellen, dass die H1 ein Erfolg wird, weil man sofort "warm" wird mit ihr und sofort richtige Mittelformat-Fotos damit machen kann.

Die H1 ist nichts für den entschleunigten Landschaftsfotografen, der mit einer aufs Wesentliche reduzierten vollmechanischen Kamera und einem stabilen Stativ auf Motivsuche geht. Die H1 ist etwas für Fotografen, die Menschen fotografieren wollen oder müssen, also z. B. Porträtfotografen und Hochzeitsfotografen. Sie ist viel spontaner als eine V-Kamera und das hat durchaus Vorteile, man nimmt sie auch für Motive, die man mit der 501CM gar nicht erst angehen würde.

Links

Nachtrag

Der Fehler, dass sich das Magazin mit geöffnetem Schieber abnehmen lässt, ist bei Hasselblad bekannt und wird von Hasselblad kostenlos behoben.


Alle Aufnahmen dieser Seite wurden gescannt mit einem Epson Perfection 1640 Photo mit Epson Twain 5 Treiber Version 5.53G. Diafilm: Agfa RSX II 100. (Die teilweise etwas komischen Brauntöne sind auf meine bescheidenen Scan-Künste und nicht auf die H1 zurück zu führen.) S/W-Film: Agfapan APX 100 in Rodinal 1+50, geprintet auf Ilford Multigrade IV RC Pearl, Scan vom 24x30 cm-Print.

Danke an Frau Hoeppner von Hassi-Foto für die H1, an Alexander Röhlich für das Studio und die Vermittlung des Modells, und an meine Carola für das tapfere Ertragen meines Hasselblad-Spleens :-)


Ich freue mich über Kommentare zu diesem Bericht an bladrunner@stefanheymann.de

Stefan Heymann, April 2003